Unsere Anfragen in der BVV

Was tut der Bezirk zum Schutz von Frauen* und zur Umsetzung der Istanbul-Konvention?

Anne Zetsche

Schriftliche Anfrage BV Zetsche vom 01.04.2025, Antwort vom 26.05.2025

Die o.g. Anfrage beantworte ich wie folgt:

1. Welche Frauenhäuser und Frauenschutzplätze gibt es im Bezirk – wie viele Schutzwohnungen mit insgesamt wie vielen Plätzen für Frauen und Kinder existieren und wie viele davon sind durch Betreuungsangebote von Trägern abgedeckt?

Der Bezirk ist nicht zuständig für die Schaffung und die Unterhaltung von Frauenhäusern und Frauenschutzplätzen. Diese Aufgabe ist auf Senatsebene (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie) angesiedelt.

Dem Bezirksamt ist lediglich ein Frauenhaus im Bezirk bekannt. Es befindet sich in der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt Berlin (AWO) und befindet sich unter einer geschützten Adresse im Bezirk.

2. Wie hat sich das Angebot an Schutz- und Betreuungsplätzen in den vergangenen 10 Jahren im Bezirk entwickelt, wie hoch war die Auslastung der Plätze (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)?

Die zwischenzeitlich erfolgte Etablierung eines Frauenhauses im Bezirk stellt grundsätzlich eine Verbesserung des Angebotes landesweit dar. Eine Aufschlüsselung des Platzangebotes in Gänze, wie auch getrennt nach Jahren, ist nicht möglich, da dem Bezirk keine statistischen Angaben vorliegen. Der Bezirk verfügt über keine Verantwortung über das landesweite Angebot. Aus allgemeiner Sicht fehlt es jedoch eher an Angeboten, als dass es ein Überangebot gibt. Das Vorhandensein eines Frauenhauses im Bezirk ist nicht gleichbedeutend damit, dass hier eine Belegung mit Frauen aus dem Bezirk erfolgt. In der Regel erfolgt die Unterbringung fernab des sonstigen gewöhnlichen Aufenthaltes (Wohnort) der betroffenen Frauen.

3. Kann und konnten alle Schutzanfragen positiv beschieden werden, wie viele Frauen mussten abgewiesen werden und wie hat sich der Bedarf in den vergangenen 10 Jahren entwickelt und welche Bedarfe prognostizieren sie für die Zukunft?

Dem Bezirksamt ist grundsätzlich bekannt, dass es landesweit nicht auskömmlich Angebote für Schutzunterkünfte und Frauenhäuser gibt. Eine statistische Auswertung zu Schutzanfragen liegt hingegen nicht vor, so dass keine detaillierte Beantwortung mangels Zuständigkeit erfolgen kann.

4. Wie viele Pflichtberatungen nach dem Antigewaltgesetz wurden in den vergangenen 10 Jahren im Bezirk durchgeführt?

Pflichtberatung im Kontext des Gewalthilfegesetzes sichert gewaltbetroffenen Personen, insbesondere Frauen und Kindern, erst ab 2023 einen Rechtsanspruch auf kostenlose Schutz- und Beratungsleistungen zu. Eine rückwirkende Betrachtung ist daher nur außerhalb dieser gesetzlichen Vorgabe möglich. Je nach Art der Gewalt und der jeweiligen Situation sind dafür unterschiedliche Stellen zuständig. Dem Jugendamt kommen dabei insbesondere Aufgaben im Rahmen der Prävention, dem Schutz und der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen zu, was lediglich einen Teil der Arbeit mit von Gewalt Betroffenen darstellt. Mit Fällen von häuslicher Gewalt, in denen Kinder mitbetroffen sind, ist das Jugendamt häufiger betraut und berät in diesem Zusammenhang. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sind dies rund 120 Fälle pro Jahr.

5. Welche Auswirkungen haben die Einsparungen des Berliner Senats auf das Angebot an Schutzplätzen und Beratungen im Bezirk?

Die Beantwortung dieser Frage obliegt ausschließlich der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres und Sport.

6. Welche Präventionsprogramme gegen Gewalt an Frauen und Kindern sind im Bezirk angesiedelt und wie werden sie finanziert?

Aus dem Bereich der Gleichstellungsbeauftragten des Bezirks werden alljährlich insbesondere zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen Präventionskampagnen durchgeführt. Der Bezirk fokussiert seine Arbeit auf Awareness-Aktionen mit Kooperationspartnerinnen und –partnern aus der Zivilgesellschaft (z.B. Aktion „Rote Bänke“ und Kooperation mit der Shoppingmall „Wilma“), zu deren Teilnahme auch regelmäßig die Fraktionen der BVV und die Mitglieder des Bezirksamtes eingeladen sind. 

Aus dem Bereich des Integrationsbüros werden zwei Projekte in diesem Feld finanziert. Das Projekt „Erste Schritte in Deutschland“ richtet sich an geflüchtete Frauen und beinhaltet muttersprachliche Workshops u. a. zum Thema häusliche Gewalt. Das Projekt „Kultursensible Beratung für afghanische Frauen in Berlin Charlottenburg“ hat das Ziel, betroffenen Frauen in den Bereichen häusliche Gewalt, sexuelle Selbstbestimmung und beim Zugang zum Gesundheitssystem zu unterstützen.

7. Welchen Kenntnisstand hat das Bezirksamt zur Einführung interdisziplinärer Fallkonferenzen für Hochrisikofälle für von Gewalt betroffene Frauen durch den Berliner Senat und in welcher Form und mit welchen Stellen wäre das Bezirksamt in zu entstehende Strukturen voraussichtlich eingebunden?

Nach dem Landesaktionsplan ist vorgesehen, dass in der Hauptsache die Jugendämter auf bezirklicher Ebene eingebunden sein sollen. Wie weit der Stand der Umsetzung des Landesaktionsplans ist, entzieht sich der Kenntnis des Bezirksamtes. Derzeit liegt dem Bezirk keine Aktualisierung des Landesaktionsplans vor. Damit jedoch interdisziplinäre Fallkonferenzen durchgeführt werden können, müssen nicht nur übergeordnet einheitliche Strukturen geschaffen werden, sondern vor allem die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden.

Die aktuellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen lassen einen Austausch in Fällen sexueller Gewalt, Menschenhandel und Hochrisikofällen nicht mehr zu, wodurch die Arbeit in diesen Themenbereichen beeinträchtigt wird, da eine Verdachtsklärung und Interventionsplanung im Zusammenwirken von Fachkräften verschiedener Institutionen nicht möglich ist.

8. Hat das Bezirksamt einen Überblick über die Anzahl gerichtlicher Schutzanordnungen im Bezirk in den vergangenen 10 Jahren?

Nein.

9. Welche Folgen ergeben sich voraussichtlich durch das vom Bundestag am 31.01.2025 beschlossene Gewalthilfegesetz für den Bezirk – welche Vorgaben muss der Bezirk erfüllen, welche finanziellen Mittel müssen dafür durch den Bund bereitgestellt werden und wie bewertet das Bezirksamt die Umsetzung? Falls eine Beantwortung nicht möglich ist, warum nicht?

Insgesamt betrachtet wird die Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes als positiv gesehen. Nach Kenntnisstand des Bezirksamtes gibt es auf Landesebene noch keine verbindliche Umsetzung des Gesetzes. Laut Istanbul-Konvention muss das gesamte Hilfesystem ausgebaut und mitsamt seinen Maßnahmen angemessen finanziert werden. Notwendig ist es, alle Gewaltformen gemäß Istanbul-Konvention zu berücksichtigen und die entsprechenden Schutz- und Beratungsstellen auskömmlich auszustatten.

Welche Folgen sich daraus für den Bezirk insgesamt ergeben, ist von Seiten des Jugendamtes nicht einschätzbar, da die Gesamtanforderungen weit über die Zuständigkeit und die Möglichkeiten des Jugendamts hinausgehen.

Dem Jugendamt selbst kommt, entsprechend seiner Aufgaben, eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention im Bereich Prävention, Schutz und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen zu. Es wird vermutet, dass es aufgrund der veränderten Gesetzeslage zu einem Anstieg des Fallgeschehens in diesen Bereichen kommt und ein Ausbau von Angeboten ohne den Ausbau der Finanzierung kaum möglich sein wird. In welchem Umfang dies erforderlich sein wird, kann vom Jugendamt nicht eingeschätzt werden, da die erforderlichen Angebote über die Finanzierung im Rahmen der Jugendhilfe hinausgehen.

10. Welche weiteren Maßnahmen plant das Bezirksamt bzgl. des Ausbaus von Frauenschutzhäusern/Schutzplätzen, Beratungsangeboten und die Einführung verpflichtender Täterarbeit und konkreter Schutzmaßnahmen gegen Wiederholungstäter?

Mangels Zuständigkeit können bezirklicherseits keine weiteren Maßnahmen getroffen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Kirstin Bauch
Bezirksbürgermeisterin